Notaufnahme = Irrenanstalt?

Freitag abend, 20:45 Uhr:
Beim Eintreffen in der Notaufnahme fällt mein erster Blick auf die genervt dreinschauende Krankenschwester am Empfang, die gerade auf eine Frau mit Migrationshintergrund einredet: "Tut mir leid, aber wir können Ihre Tochter hier nicht behandeln, Sie müssen in die Kinderklinik" - "Wohiiin? Nicht behandeln?" Mein Blick schweift durch den Raum. An der Wand stehen zwei Betten, darin liegt jeweils eine, sagen wir, etwas angeschlagen wirkende, ältere Person. Beim Anblick der beiden muss ich spontan auf meinen kleinen Finger schauen, der langsam blau wird. Wegen so einer Kleinigkeit bin ich hier, denke ich und schüttel dabei unmerklich den Kopf. Jetzt ist es zu spät. Pech!

20:50 Uhr:
So, jetzt darf ich also auch mal was sagen. Kurz erkläre ich, was passiert ist. Ich solle im Wartebereich Platz nehmen, grummelt die Krankenschwester und eilt davon. In der kleinen Ecke stehen etwa 15 Stühle, knapp die Hälfte ist bereits belegt: eine Frau mit zwei Mädchen, eines der beiden hält sich ein Taschentuch an das blutende Kinn, eine Frau mit Sporttasche und wehleidigem Gesichtsausdruck und zwei ältere Männer, die wild diskutieren: "Hast Du sie gesehen, wo ist sie bloß?" Ich lasse mich auf einen Stuhl fallen - das kann ja ein langer Abend werden.

21:30 Uhr
Die Situation ist fast unverändert, aus einem der Behandlungsräume hört man die Krankenschwester: "Frau Müller, können Sie mich hören? Hallo Frau Müller, schauen Sie mich an!" Immer wieder öffnet sich die Glastür in Richtung Krankenhaus und Betten werden hin- und her gerollt. Ein Krankenwagen fährt vor. "Lassen sie mich los, ich will hier raus", pöbelt ein offensichtlich angetrunkener Mann. "Wir haben ihn schlafend vor der Centralstation gefunden", erklärt der dazugehörige Sanitäter der Empfangs-Krankenschwester. "Ich will keinen Arzt, ich will nach Hause", lallt der Patient. Oh je, denke ich, das kann ja heiter werden. Und tatsächlich, die Diskussion mit ihm dauert noch eine ganze Weile, bis eine Psychologin kommt und sich mit ihm zurückzieht.

21.45 Uhr:
Juhuu, ich darf zum Arzt! Der griesgrämige alte Mann drückt auf meinem Finger rum. Ich verkneife mir einen Schmerzensschrei und beiße die Zähne zusammen. "Tut das weh?" - Och nö, ich bin nur mal so vorbeigekommen, besser als daheim vor der Glotze zu hocken, denke ich. "Wir lassen ihn mal röntgen", sagt er teilnahmslos. Offensichtlich hat er noch mehr Lust hier zu sein, als ich!
Auf dem Weg zum Knochenfoto fällt mir ein neues Geräusch auf, dass sich unter das Stöhnen der Alten im Flur und das Meckern des Besoffenen gemischt hat: das klassische Piepen, dass man aus den Arzt-Serien im Fernsehen kennt, wenn es mit den Leuten nicht mehr lange dauert... piep... piep...piep... Nur weg hier!

22.15 Uhr:
Das mit dem Röntgen hat irgendwie länger gedauert als gedacht. Warum musste dieser Kerl mit dem gebrochenen Genick auch ausgerechnet vor mir dran sein??! ;) Naja, zum Glück bin ich nicht schwanger, sonst hätte es wahrscheinlich noch länger gedauert. Jetzt heißt es aber erstmal wieder hinsetzten und Klappe halten, natürlich im Wartebereich. Aber langweilig wird es nicht, denn ein neuer Patient hat sich dazu gesellt: "Ich sollte ja eigentlich zwangseingewiesen werden", erklärt die rotharige Frau stolz. Oh je, denke ich, was für ein Abend.

22.30 Uhr:
Nochmal zum Griesgramarzt. Ich versuche ein wenig Smalltalk: "Ist hier immer so viel los? Das stelle ich mir ja sehr anstrengend vor." Er taut auf und wir schauen uns gemeinsam meine Bilder an: "Sehen Sie hier, das sieht aber komisch aus" - Äh nein, ich sehe da gar nix, oder etwa doch?! Ja stimmt: Farben! Weiß, grau und schwarz - toll, ich hab Knochen! Griesgram sieht offenbar mehr.

Um 23.00 Uhr öffnen sich die Schiebetüren und ich trete in die kühle Nachtluft hinaus. Endlich liegt das Irrenhaus hinter mir. Was mir der Abend gebracht hat? Einen Kapselriss, einen angeknacksten Knochen und eine Gipshand für kurze drei Wochen - toll, toll, ich freu mich!

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Na, wie wär´s?

Traumzeit

100_0328

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Congratulations
... and Celebrations! Bin ebenfalls auf der Zielgeraden...
tande dani - 28. Mai, 11:25
Hast du's gut. Aber ich...
Hast du's gut. Aber ich liege auch in den letzten Zügen...
Teesha - 24. Mai, 20:08
hm. ich fange erst so...
hm. ich fange erst so richtig an. aber: glückwünsche...
7an - 24. Mai, 14:06
tja jan, was soll ich...
tja jan, was soll ich dazu sagen: es kann halt nicht...
schniri - 21. Mai, 09:09
"schlimmer zu machen"??...
"schlimmer zu machen"?? das klingt nach "ich hab schon...
7an - 17. Mai, 00:41

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Herzlich willkommen in Schniris Blog! Ich bin Studentin aus Darmstadt und blogge hier, was mir täglich über den Weg läuft und was ich so erlebe - das klingt öde?! Garantiert nicht! Viel Spaß beim schmöckern...

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